Wann immer ich wen von 'Fokussieren / wir müssen und darauf fokussieren' reden höre, passiert in mir erst einmal gar nichts. Allenfalls gehe ich in meinem Kopf auch davon ab, je nach Kontext und Auftrag.
In der Regel - und das ist hier mit Absicht unterstellt - ist es für die meisten Menschen eine lineare und prospektive Einstellung, sich auf eine Sache zu fokussieren:
- sie reißen sich zusammen
- sie konzentrieren sich
- sie lassen sich nicht ablenken
- sie prokrastinieren nicht
- sie gehen ob der Arbeit nicht ins Internet oder in Communities
- es soll Arbeitgeber geben, bei denen darf man kaum aufs Klo
Diese Form des Fokussieren, die weitum bekannte, wird anerzogen:
- sei still
- rede nicht
- iss
- mach deinen Teller fertig
- komm nach der Schule nach Hause
- trödel nicht rum
- etc.
Was unterschwellig an dieser Form gefällt (= Komfortzone):
- man bleibt unerkannt in der Gruppe aller Fokussierter (m/w/d)
- man muss nicht mehr tun, als die anderen
- man muss nichts anderes tun, als die anderen
- man kann komfortabel schauen, was die anderen machen
- man will keine Verantwortung übernehmen
- man übernimmt keine Verantwortung
- man hat auch kaum je Ahnung im Verantwortungübernehmen
- schon gar nicht: den Lead übernehmen
- insgesamt: bloß nichts tun - einfach nicht vom Projekt / Ziel abweichen
Was dabei dem Projekt, dem Ziel, der Realisierung bzw. Konkretisierung widerfährt:
Sie erkennen, dass der hellblaue Pfeil nach oben und zu einem Abschluss hin immer breiter wird:
- man versteht Fokussieren als Fleissigsein
- man versteht 'Sich-reinwerfen' als 'Ausweitung der Kampfzone'
- man meint jemand Tolles zu sein, wenn man möglichst viel noch 'en Detail' eingibt
- sehr beliebte Variante von Fokussieren: es perfekt machen zu wollen, was immer das dann für Auswüchse zeitigt und weiß nicht wen alles zwar auf Trab aber dann davon abhält
- und klar, man lässt, ob bewusst oder verdrängt, den Grundsatz von Pareto einfach weg
- es kann ja nicht sein, dass mit Fokussieren die 20/80 Regel gemeint ist - viel zu verwegen
- und last but not least hört man von solch Fokussierten zu gerne: das schaffen wir nie. Es entsteht Müdigkeit, Frust, Hoffnungslosigkeit - und ganz besonders: es entsteht nicht wirklich ein Resultat, da ist kein Spatz in der Hand. Tauben aufm Dach, ja, viele sogar, aber sonst nichts.
Es sei hier weiter provokativ unterstellt: Das bezeichnen Mitarbeitende (m/w/d) als Fokussieren.
Aber dieselben Mitarbeitenden, Menschen mit Familie und Feierabend wie Du und ich, sie feiern Steve Jobs, Bill Gates, Elon Musk. Das sind die Helden der Zeit. Diese Figuren besetzen Nachttische und Kaminsimse.
Diese Frage müssen Sie sich gefallen lassen:
What the heck haben Sie mir Ihrer Lebenszeit gemacht? Prüfungen bestanden? Ausweise gesammelt? (ich provoziere hier nur den Blick auf die Sache). Wenn Sie im Alter zwischen 15 und 45 nicht mehr als eine mittlere Anstellung erreicht haben, WIE haben es die genannten Helden dann in selber Zeit geschafft, Weltkonzerne, Welttechnologien und Weltrechte zu entwickeln, zu fertigen, zu schützen, weiterzuentwickeln, zu vertreiben und uns allesamt abhängig zu machen? Spätestens hier müssen Sie mir zugeben: Das steht tatsächlich in keinem Verhältnis. Jedenfalls muss dieses Fokussieren ein ganz anderes sein, als oberhalb der Grafik umrissen.
Lassen Sie uns Fokussieren und Fokussieren unterscheiden in
- Fokussieren 1: quantitatives, fleißbezogenes Fokussieren
- Fokussieren 2: qualitatives Fokussieren
Qualitatives Fokussieren:
Menschen, welche qualitativ Fokussieren, die kennen keine Regeln. Außer der einen: Get this thing done. Setze den Auftrag um, erreiche das Ziel, frag nicht - mach! Jetzt! Noch schneller!
WIE? (erneut Prof. Maliks Frage nach der Wirksamkeit von Management) Wie macht man das? oder Was können Sie für sich ändern?
- Fokussieren 1, fleißbezogenes Fokussieren geht von A nach B
- Fokussieren 2, qualitatives Fokussieren geht SOFORT AUF B!!!!
Egal. Das mag jetzt krass wirken, gar unrealistisch. Aber in den allermeisten Leistungssituationen ist es möglich, viel schneller zum konkreten Endpunkt der Vorstellungen zu gelangen oder gar direkt dort hin zu gehen. Nichts da, schauen, was es braucht. Stellen Sie es hin, JETZT. Verändern Sie, dass die Balken krachen, dass Leute dumm schauen. Machen Sie so konkret vorwärts, dass man sich erschreckt und Sie für einen Spinner hält (m/w/d). Aber werden Sie konkret, erkennbar, greifbar, sichtbar. Reden Sie nicht noch lange von der geplanten Büroumstrukturierung: Ziehen Sie die Stecker raus, nehmen Sie die Lampe und den Bürostuhl gleich mit, verscheuchen Sie die Kollegen im neuen Büro und haben sie in 30 min Ihren Schreibtisch am neuen Ort.
Und erst dann fangen Sie an, Kabel neu zu verlegen, Steckdosen zu suchen, die IT-Vernetzung zum Laufen zu bringen.
Was ist der Unterschied zwischen?
- von A nach B oder
- gleich nach B - so sehr nach B wie irgend möglich (dann noch etwas zurück in Richtung A)
Der Unterschied ist eindeutig: Mit ihrer fleißorientierten Fokussierungserziehung kann es Ihnen passieren, dass Sie NIE fertig werden. Sie laufen nie im Ziel ein. Verzettelt und verhühnert, wie man so schön sagen würde. Es hat ja niemand definiert, wie viel Aufwand und Zeit Sie für den Weg von A nach B veranschlagen sollen. Hingegen, wenn Sie so heftig als möglich auf B gehen, rücksichtslos auf sich selber, ausklammernd, was andere tun und sagen, dann werden Sie den Anteil "Rückwärtsweganteil", also was sich noch nach A orientieren würde, so knapp, klein und kurz halten, wie irgend möglich. Denn Menschen mit qualitativer Fokussierung, die sind nicht nur meistens superklug und versiert in ihren Arbeitstechniken - die langweilen sich auch an unnötiger Transkationsaufwandzeit, ein Graus für die. Bei denen schellt die Frage im Kopf: "What's next?"
Zusammengefasst:
Üben Sie bei einem kleinsten Unterfangen, den Wochenendeinkäufen oder Winterreifenwechsel, gleich nach B zu managen. Sie werden staunen, wie schnell das erledigt sein wird.
Kleine Beobachtung aus 30 Jahren zwischenmenschlicher Kommunikation: Haben Sie auch schon mal beobachtet, wie schwierig es wurde, mit jemandem gleich jetzt zu telefonieren. Da werden Anrufe tatsächlich auf zwei Monate später gelegt. Bullshit, ruf an. Und komm zum Punkt.
Wie man bei Telefonaten, Anträgen, eMails und Präsentationen zum Punkt kommt, ist ein eigenes Thema für diesen Blog. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. >
Hier noch eine Anzeige aus DER SPIEGEL von ABB in den 90er-Jahren:
Auch ein Beispiel: Der Bankomat, den Sie kennen, der wurde durch die Bank UBS in der Schweiz mit einem Marketingteam in einer Nacht erdacht und innert fünf Tagen stand das erste Modell für den Geldbezug in der Wand am Zürcher Paradeplatz.
Ich wünsche Ihnen zu dieser Betrachtung genügend Leichtigkeit und Humor. Auch eine Prise craziness.
Herzlich
Jona Jakob
Professional Coach DBVC
coaching-aschaffenburg.de
hochbegabtencoach.de